Bad-Design

Auf den Punkt gebracht

Das Sanitärunternehmen Viega hat seine Vorwandsysteme fürs Bad radikal vereinfacht –
eine Mammutaufgabe, bei der die Industriedesigner von Artefakt von Anfang an dabei waren

Von Ulrike Meywald

Die Ausgangslage war ein über Jahrzehnte gewachsenes Sortiment aus vier Vorwandsystemen mit jeweils 13 Spülkastenvarianten. Klaus Arens, Leiter Produktmanagement bei Viega: „Es galt die Technik so zu vereinheitlichen, dass eine weltweit einsetzbare Spülkasten- und Urinal-Plattform entsteht.“ Für den Geschäftsführer von Artefakt, Achim Pohl, kommt dieser Schritt dem Wechsel vom Verbrennungs- zum Elektromotor gleich. Die Industriedesigner waren mit der Entwicklung der für den Nutzer sichtbaren Betätigungsplatten beauftragt. Sie empfanden diese Aufgabe als einmalige Möglichkeit, ein straffes Designportfolio zu kreieren, das verschiedene Nutzergruppen anspricht. Dabei sollten die Betätigungsplatten Innovationen aufweisen, wie etwa berührungslose Bedienung mit Lichtleitsystem, besondere Haptik oder Formen. Artefakt war dazu bereits in die Erarbeitung der strategischen Zielsetzungen mit Marketing und Konstruktion von Viega eingebunden. Achim Pohl: „Jeder im Team hatte auf seinem Gebiet die Entscheidungsmajorität und es ging darum, gemeinsam den bestmöglichen Kompromiss zu finden.“

Weniger ist mehr

Wie aber findet man eine Technologie, die allen Normen gerecht wird? Klaus Arens: „Alle Normen auf den Tisch und dann Synergien und Abhängigkeiten aufzeigen. Durch das Denken als Plattform Produkte mit hoher Universalität kreieren und die Komplexität des Sortiments ohne Einschränkungen in der Anwendung reduzieren.“ So gibt es jetzt nur noch drei Vorwandanwendungen für den Trocken- und Nassbau und nur noch einen ­Spülkasten namens „Prevista“. Je nach gewünschter Komfortstufe wird diese technische Montageeinheit modular ausgebaut. Insbesondere die Nutzung als elektrisch gesteuerte Systemeinheit eröffnet Möglichkeiten für die digitale Zukunft im Haus.

In die Entwicklung waren von Beginn an auch die Verarbeiter durch wiederholte Mustermontagen eingebunden. Gewohnte Abläufe wurden beibehalten oder optimiert. Zusammen mit Artefakt wurde so ein Farbleitsystem für die technische Montageeinheit geschaffen. Teile, die bei der Montage bewegt, eingestellt oder skaliert werden, sind gelb, fest stehende Elemente dunkelgrau. Das ist intuitiv und reduziert innerhalb der Handwerksunternehmen den Erklärungsbedarf sowie die Fehlerquote auf der Baustelle. Außerdem erleichtert es nicht zuletzt die Arbeit des Bauleiters.

Klein, aber fein

Die optische Schnittstelle der Vorwandsysteme zum Nutzer sind die Betätigungsplatten. Sie schrumpften durch den Technologiewechsel auf die Größe von nur noch 220 mal 130 Millimetern. Das Portfolio dieser Platten sollte so aufgebaut sein, dass jeder sein favorisiertes Produkt auf Anhieb findet. Achim Pohl: „Unsere Designphilosophie lautet ‚reduce to identity‘. Wir definieren zunächst die Lebenswelt der Nutzer. Sind sie eher design-, funktions- oder preisorientiert? Dementsprechend entwickeln wir Produkte, deren individuelle Persönlichkeit diesen Nutzerkreis optimal anspricht.“ Hilfreich ist dabei eine Visualisierung, die auf einen Blick die gestalterische Differenzierung nach Preisniveau und Designrichtung zeigt. Günstige Produkte sind eher funktionsorientiert, während Produkte des gehobenen Segmentes trenddefinierend ausgerichtet sind. Hier differenziert Artefakt zwischen emotionaler und rationaler Gestaltung.

Nachdem in den letzten Jahren rationale Produktgestaltungen den Markt dominierten, setzen die Designer jetzt ergänzend auf die emotionale Seite. Solche Produkte besitzen mehr Weichheit, eine besondere Haptik, warme Materialien und Farben oder dezent eingesetzte Lichtelemente, die etwa im Dunkeln dem Nutzer Orientierung geben, sobald er sich nähert. Dieses Konzept spiegelt sich vor allem in der Visign-for-More-Serie wider, die unter anderem Betätigungsplatten mit sanft gerundeten Ecken, beleuchteten Einbaurahmen und Oberflächen in edlen Materialien und Farbtönen enthält.

Ulrike Meywald ist freiberufliche Baufachjournalistin in Münster